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MAGAZIN FÜR ARCHITEKTUR NO 2 JUNI 2016

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Magazin für Architektur

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MAGAZIN FÜR ARCHITEKTUR NO 2 JUNI 2016

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RAUM FÜR VISIONEN

Damit Ihre Architektur nicht an der Lifttüre endet. In vielen Gebäuden wirkt der Aufzug wie ein Fremdkörper. Das muss nicht sein. Unsere Ingenieure, Planer und Techniker sind von Anfang an für Sie da, wenn es darum geht, einen Lift Ihren Ideen anzupassen. Sie denken mit. Sie zeigen Lösungen auf. Sie tüfteln und entwickeln. Das eröffnet neue Möglichkeiten und Wege, Ihre Visionen zu realisieren. Mit genau dem Lift, nach dem Ihr Projekt verlangt. www.lift.ch

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Impressum

QuerMagazin für Architektur 1. Jahrgang 2016

Herausgeberin Fachkom GmbHSpinnereistrasse 12Postfach 175 8135 Langnau a.A.Tel. 043 377 89 [email protected] quer-architektur.ch Geschäftsleitung Renato [email protected] Bettina [email protected]

Chefredaktor Beat [email protected]

Autoren Laura WeissmüllerSarah NiggReto DemontAdrian AltenburgerBeat Matter

Grafik Design Olivia Zwyssig Werbezoo Zürich

Inseratebuchungen Tel. 043 377 89 04 [email protected]

AbonnementeTel. 043 377 89 [email protected]

Abopreis Inland: 85.– CHF (inkl. MwSt.)Ausland: 95.– E

Erscheinung 4-mal jährlich

Auflage5000 Exemplare

Druckgalledia agFlawil

ISSN 2297-7678

Die Welt im ContainerIm vergangenen Jahr sind 1,1 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland eingereist. Kanzlerin Merkel hatte mit ihrer

Willkommenskultur ein hoffnungsvolles Zeichen gesetzt, ihr Land gleichzeitig aber auch vor eine Reihe praktischer

Probleme gestellt. Etwa dieses: Wie organisiert man die Unterbringung von 1,1 Millionen Flüchtlingen? Und wie

organisiert man die zumindest temporäre Unterbringung der über drei Millionen weiteren Flüchtlinge, welche die Bundes-

regierung gemäss interner Berechnung bis 2020 erwartet? Die rasche Lösung heisst oft: im Container. Die grosse Zahl

von Flüchtlingen hat deshalb letztes Jahr in Deutschland zu einer markant höheren Nachfrage nach Wohncontainern

geführt. Für die Anbieter ein lukratives Geschäft. Und ein teils fragwürdiges.

Auch in der Schweiz werden – obwohl zahlenmässig deutlich weniger – Flüchtlinge temporär in Container-

Siedlungen einquartiert. Aber nicht nur sie. In dem kleinräumigen Land zeigt sich unmittelbarer als anderswo,

dass sich die Container-Lösung auch in anderen Lebens-bereichen breitgemacht hat. Nicht nur in Notunterkünften,

sondern auch in Pausenräumen, Schulzimmern, Büros und sogar in edleren Eigenheimen: Die Welt trifft sich

im Container. Wir haben uns umgeschaut.

In weiteren Beiträgen befassen wir uns mit Wohn- und Arbeitswelten. Und auch ein paar Sprayer sowie ein

Dschungel-Architekt aus Rapperswil sind dabei. Ich wünsche beste Unterhaltung mit unserer Nr. 2.

Beat Matter, Chefredaktor

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Die freistehende Wannenarmatur FS1 bildet eine funktionale Skulptur, die elegantes Design und technische Innovation in jedes Badezimmer bringt. Wählen Sie passend zu Ihrem Designkonzept aus einer Reihe hochwertiger, mit höchster Präzision und Sorgfalt hergestellter VOLA.

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4 – 5SZENE – TOP & FLOPWer brilliert und wer verliert

6 – 12ARCHITEKTUR – CONTAINERTreffpunkt Container

14 –18ARCHITEKTUR – BUNKEREinfach schön

20 – 24ARCHITEKTUR – ZAHA HADIDEin Nachruf auf die Architektin

26 – 27FORSCHUNG – ARBEITSWELTENInterview mit Sibylla AmstutzRückzug ins Büro

28 – 30FORSCHUNG – ARBEITSWELTENBüro im Labor

32 – 36QUERKOPF – MARIE GLASER«Zu grosse Räume. Zu grosse Fenster. Zu viel Licht.»

38 – 41QUERKÖPFE – NEVERCREWStreetart auf Weltniveau

42 – 45QUERKOPF – LUKAS ZOLLINGERMr. Bamboo

46 – 47DEBATTE – PRO & CONTRAHightech im Gebäude

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Botta kreiert FixpencilIm Mai lancierte Caran d‘Ache die Sonderedition Mario Botta des Fixpencils. Botta, ein Fan des seit 1929 produzierten Kult-Minenhalters, lieferte zwei Designs ab, ein Schachbrettmuster schwarz auf weiss – und eines weiss auf schwarz. Das Muster ist kein Zufall. Es lehnt an Bottas San Francisco Museum of Modern Art an, das Ende Mai wieder eröffnet wurde. Ziemlich cool. www.carandache.com

Fondation BeyelerBereits Ende März präsentier-te das Kunstmuseum seine Shortlist für den Studien-auftrag über den geplanten Erweiterungsbau. Ein hochkarätig besetztes Gremium wählte elf ebenso hochkarätige Büros aus. Mit dabei: Sanaa, Zumthor, Kerez, Radic, Fujimoto, Williams und Tsien, aber auch Made in Sarl oder Peter Märkli. Was für ein Feld. www.fondationbeyeler.ch

Politische ArchitektenNächste Woche stimmen die Briten über den sogenannten «Brexit» ab, den Austritt Gross-britanniens aus der EU. Seit Monaten beherrscht der Urnengang die europäische Politik. Im Mai bezogen mit David Chipperfield, Richard Rogers und Amanda Levete auch zahlreiche bekannte Architekten Stellung für den Verbleib in der Union. Obwohl die Meinungen gemacht sein dürften: Politische Architekten finden wir top!

Kornhaus SwissmillVor ein paar Wochen wurden die Gerüste entfernt, seither ist in Zürich das ganze Ausmass des 118 Me-ter hohen Getreidesilos der Coop-Tochter Swissmill sichtbar. Die Enthüllung motivierte zu emotionalen Kommentaren. Die einen nannten das mächtige Betonsilo des Büros Harder Haas Partner AG ergriffen «Baukunst», die anderen, wie etwa «NZZ am Sonntag»-Chefredaktor Felix E. Müller, «118 Meter Hässlichkeit». Ein Silo, das bewegt. Top.

Amanda LeveteAbu Dhabi bekommt ein neues World Trade Center. Selbstverständlich nicht irgendeines, sondern eines von Foster + Partners. Ein schönes Detail, zumal in Zeiten hochtrabender Islam- und Frauenrechtsdiskussionen, mag folgendes sein: Die in das Center integrierte Moschee mit 2000 Quadratmetern Fläche wird von UK-Architektin Amanda Levete kreiert.

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Santiago CalatravaIm Auftrag von Emaar Properties PJSC baut er in Dubai «ein neues hohes Gebäude». Die offizielle Kommunikation des Projekts im April gab sich betont zurückhaltend. Zwischen den Zeilen wurde jedoch klar, dass ein neues höchstes Gebäude entstehen soll. Ein höchstes Hochhaus in Dubai? Das ist wohl teuer, technisch anspruchsvoll und architektonisch herausfordernd. Aber auch furchtbar langweilig. www.calatrava.com

Vincent MangeatDas Bundesgericht hat im Mai einen Entscheid zum Urheberrecht von Architekten gefällt. Architekt Vincent Mangeat wollte auf juristischem Weg verhindern, dass die Besitzer einer Villa aus seiner Feder einen ungeschützten Balkon mit einem Sicht- und Wetterschutz versehen. Die Waadtländer Justiz gab dem Architekten Recht, das Bundesgericht stellte sich auf die Seite der Besitzer. Wir raten: Loslassen, liebe Architekten.

Making HeimatDer vom Bund unterstützte deutsche Beitrag zur jüngst angelaufenen Architektur-Biennale 2016 in Venedig unter der Leitung von Peter Cachola Schmal (ganz links) steht unter dem Motto «Making Heimat. Germany, Arrival Country». Angesichts von Kanzlerin Merkels letztjähriger Flüchtlings-Willkommenskultur macht das Sinn. Angesichts von Merkels diesjährigem Kurs mitsamt Erdogan-Deal eher weniger.

Hoffnungsloses NamingNamen von Überbauungen irritieren regelmässig. Zum Beispiel betonwüste Neusiedlungen mit dem Anhängsel «-Park» im Namen. In Dübendorf baut nun das Büro Michael Meier und Marius Hug Architekten AG auf dem Grundstück «Hoffnig» die Überbauung «Bonny & Clyde». Man möchte daran erinnern, dass das US-Gangsterpärchen in den 1930er-Jahren 14 Morde beging. Aber es ist wohl «hoffnigslos». www.duebendorf.ch

Rafael Viñoly Der uruguayische Architekt hat mit der Laguna Gar-zon Bridge vermutlich die infrastrukturelle Dumm-heit des Jahres realisiert. Die Strasse teilt sich auf der Brücke und führt in je einem Halbkreis über die schmale Lagune. Sie bildet einen Kreisel ohne Ab-zweiger. Die Idee: Die Brücke soll den Autofahren-den die Möglichkeit bieten, das ganze Panorama zu geniessen. Schon mal was von aussteigen und sich umschauen gehört? www.rvapc.com

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Der Freitag Flagship Store in Zürich. In den Fracht-containern kauft man Taschen aus Lkw-Blachen.

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Container sind die Grundeinheit der Globalisierung. Millionen von ihnen zirku-lieren rund um die Welt. Mittlerweile ist aus der Transportkiste auch Lebens- und Arbeitsraum geworden. Ein Streifzug.

Der globale Welthandel basiert auf Frachtschif-fen und Containern. 90 Prozent des globalen Handels werden auf diesem Weg abgewickelt. 60 000 Frachtschiffe sind jährlich auf den Welt-meeren unterwegs. Über 20 Millionen Container zirkulieren in nie endenden Kreisläufen rund um die Welt. Das eng getaktete System mit seinen riesigen Schiffen, den riesigen Häfen und den riesigen Verladeanlagen macht erst möglich, dass zur Verarbeitung um die halbe Welt ge-schipperte Ware zu Preisen angeboten werden kann, die lokale Produzenten blass aussehen lassen.Robust, standardisiert, stapelbar, transportierbar. Container sind die Grundeinheit der Globalisie-rung, die roten Blutkörperchen im Organismus Weltwirtschaft. Oder doch eher Krebszellen? Nicht genug damit, dass die 20 grössten und mit Schweröl betriebenen Containerschiffe der Welt mehr Schadstoffe ausstossen als eine Milliarde Autos. Auch die Container und ihre Artverwand-ten wuchern immer weiter über das Frachtwesen hinaus in unser Leben. Ein Spaziergang durch Zürich zeigt es: Schluss-spurt am ETH-Standort Hönggerberg für den Neubau des Instituts für Technologie in der Architektur. Neben dem Stelzenbau mit der gewölbten Holzdecke stapeln sich die Baucon-tainer höher als das gebaute Gebäude selbst. Darin planen Planer, pausieren Chrampfer und lagert Material. Unten in der Ebene, direkt neben Gleisfeld und Strichpark, wohin die Stadt auch ihre Prostitu-ierten versorgt, befindet sich seit Herbst 2010 eine von zwei temporären Wohnsiedlungen für

1+2 Containerterminal Alten-werder in Hamburg. Umschlags-kapazität: 3 Millionen Standard-

container pro Jahr.

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kleinen Balkon und seitlichen Bullaugen ausge-stattet. «Es war unser grosses Anliegen, kein vor sich hin rostendes Provisorium zu bauen», erklärt Edelmann den Aufwand. Kurz vor Schluss fiel der Entscheid, die Container nicht als Büroraum, sondern als Mietwohnung auszubauen. Möblier-experten von Ikea stellten ein massgeschneider-tes Möbelprogramm zusammen – und vor gut zwei Jahren zog der Erstmieter ein. «Er wohnt noch immer dort», so Edelmann. Das sage doch am meisten über die Wohnlichkeit und Behag-lichkeit aus.Wohnlichkeit und Behaglichkeit im Container. Was wie ein Widerspruch klingt, ist Mischa Mächlers täglich Brot. Seit fünf Jahren bietet er mit seiner Firma Contdeluxe in Lachen (SZ) Stan-dardcontainer, aber auch Container-Bauten im gehobenen Bereich an: Bürocontainer, Hauscon-tainer, Wohncontainer – modular erweiterbar und mit viel Fensterfläche, edler Holzverkleidung und gedecktem Vorplatz. Mächler spricht von einer steigenden Nachfrage. Seine Erklärung dafür: «Die Bodenpreise sind hoch und das Sparpotenzial der Bevölkerung ist klein. Trotz-dem wünschen sich Menschen ein Eigenheim.» Die Anfragen seien entsprechend klar finanziell orientiert. Aber auch die schnelle Bauzeit sowie die Möglichkeit, jederzeit anbauen oder wieder rückbauen zu können, seien für Kunden attraktiv, so Mächler.Flexibilität. Rasch hier, schnell wieder weg. Was den Container im Frachtwesen auszeichnet, schätzt man auch in Schweizer Schulbehör-den, die Jahr für Jahr mit stark schwankenden Schülerzahlen konfrontiert sind. In Zürich kamen hierfür bereits vor bald 20 Jahren die ersten «Züri-Modular-Pavillons» zum Einsatz. Mittler-weile sind es über 40 Schulcontainer, mit denen die Stadt sechs Prozent der Schulzimmerflächen gewährleistet. Die Schulcontainer, die auch in Basel zum Einsatz kommen, sind keine Low Bud-get-Lösung. Je nachdem, ob zwei oder dreige-

Asylsuchende. Die Siedlung besteht aus 70 farbigen Wohncontainern, drei Geschosse hoch gestapelt. 140 Menschen leben hier.Unmittelbar daneben: das sogenannte Basis-lager. 135 Bürocontainer, 200 Kreative arbeiten darin. Zwei Kilometer weiter stadteinwärts. Heute im Schatten des Prime Towers, steht seit zehn Jah-ren auf einem bunten Areal der Freitag Flagship Store. Der Containerturm aus 19 Einheiten sta-pelt sich neun Geschosse hoch. Hier kauft man. Freitag-Taschen.Zwischen Zürich-West und See, über das ganze Stadtgebiet verstreut, fallen auf Schul-arealen Container-Bauten auf, die teils geradezu schmächtig neben altehrwürdigen Schulhaus-bauten stehen. Darin werden Kinder unterrichtet.Ein paar Steinwürfe auseinander wird in der Binnenstadt Zürich in Containern gearbeitet, gehandelt, gelernt und gewohnt. Der Container ist nicht mehr nur Vehikel für den globalen Warentransport. Er ist zum schichtübergreifen-den Treffpunkt geworden.

Destination WilZum Beispiel in Wil. 2010 hat das Büro Arson Architektur beim Bahnhof das Geschäftshaus Kraftwerk gebaut. Nach Vollendung wies das Grundstück noch rund 65 Quadratmeter Aus-nutzungsreserve auf. Um sie zu nutzen, hatte Arson-Chef Roger Edelmann eine ausgefallene Idee: Ihm schwebte vor, zwei 45-Fuss-Standard- High-Cube-Frachtcontainer als Büroraum auf das Dach zu hieven. Die Idee stiess auf Skepsis. Doch Edelmann liess sich nicht beirren. «Ich war derart begeistert dass ich alle Warnungen in den Wind schlug», schildert er. Die Container für das Vorhaben fand er in Bremerhaven. Mit einer Million Kilometer Frachtweg auf dem Buckel, waren sie für 10 000 Franken zu haben. Für ein Mehrfaches wurden die Container aufbereitet: Gedämmt, schallgeschützt, mit Fenstern, einem

Auffällige Inszenierung: Das Kraftwerk in Wil.

Auf Stahlträgern befestigt, ragen die Kraftwerk-Container keck über die Dachkante hinaus.

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schossig, kostet ein System zwischen knapp drei und knapp vier Millionen Franken. Das aktuelle Modell im Minergie-Eco-Standard ist ökologisch vorbildlich, atmosphärisch jedoch nicht über jeden Zweifel erhaben. Sogar der Präsident des Schweizer Lehrerverbands beklagte sich im «Blick» schon über eine klare Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, die im Container gegenüber einem Schulhaus zu beklagen sei.

Geschäft mit AsylunterkünftenVolatil, schwer antizipierbar und derzeit anstei-gend ist vor allem die Nachfrage nach Unter-künften für Asylbewerber. Der Bund rechnet für das laufende Jahr bei grosser Unsicherheit erneut mit rund 40 000 Asylsuchenden. Um sie unterzubringen, kommt vielerorts dieselbe Lö-sung zum Einsatz wie im Schulwesen: Container. Fragt man Schweizer Anbieter von entsprechen-den Container-Systemen, ist einhellig von einer sukzessiven Zunahme der Nachfrage die Rede. Als Haupttreiber für die Zunahme werden der Bedarf von Schulen sowie für Asylunterkünfte hervorgehoben. Zu Lieferengpässen und Preisexzessen wie in Deutschland ist es in der Schweiz bisher offenbar dennoch nicht gekommen. Unter dem Eindruck von rund 100 000 Asylbewerbern, die in Deutsch-land letztes Jahr Monat für Monat eintrafen, versuchten gemäss Medienberichten einzelne Anbieter von Container-Lösungen die Gunst der Stunde zu nutzen, um ihre Preise exorbitant anzuheben. «Die Welt» zitierte einen Hersteller, der 30 Prozent Aufschlag bestätigte, einzelne Gemeinden sollen Preis-Explosionen um das Fünf- bis Zehnfache gemeldet haben. Anders in der Schweiz. Hier sprechen Anbieter davon, dass Container in den letzten Jahren um einen Viertel bis einen Drittel günstiger gewor-den seien. Ein sehr starker Preiskampf sowie durch den starken Franken noch interessanter gewordene Importe würden steigende Preise

3 Schmal und länglich: Die Container-Grundform lässt sich nicht wegzaubern.

4 Thematisch passende Bullaugen.

5 Ikea-Experten haben die Wiler-Container möbliert.

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Der Lift ist die Visitenkarte einer Immobilie. Schon hier wird Innen design wahrgenommen. Nutzen Sie diesen Raum für Emo tionen und machen Sie schon beim Lift-Design eine klare Aussage. GTA Premium Solutions bietet Ihnen unendlich viele Gestaltungsmöglichkeiten. Sie wählen Materialien, Farben und Formen ganz nach Ihrem Stil. Wir garan-tieren höchste Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Ausführung, Montage und Wartung.

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verhindern, erklärt der Vertreter eines Anbie-ters, der nicht namentlich genannt werden will. Zudem versuchen Anbieter von alternativen Modul-Lösungen, bei Behörden explizit mit Preisvorteilen gegenüber Container-Lösungen zu punkten. Eine davon ist Architektin Claudia Cuesta, die mit Integro einen quadratischen Holzpavillon entwickelt hat, der nach ihren An-gaben um bis zu 70 Prozent günstiger ist als eine Container-Lösung für die gleiche Personenzahl. Eine Kampfansage.Vom Edel-Modulhäuschen bis zur Asylsiedlung, die Welt trifft sich im Container. Um zu arbeiten, zu unterrichten, zu geschäften und zu woh-nen. Dem Umstand mag Uwe Linke durchaus Positives abgewinnen. «Die Durchmischung von Generationen und Bildungsschichten wird durch temporäre Wohn- und Arbeitslösungen geför-dert», sagt der Wohnpsychologe und Autor. Doch er sieht auch Herausforderungen: Viele Elemente, die der Mensch als wohnlich oder ge-mütlich betrachte, seien in temporären Räumen nur schwer zu realisieren. Wohntextilien, grosse Fensterflächen oder natürliche Materialien seien zwar nicht überlebenswichtig, sicherten jedoch ein Gefühl des Willkommenseins. Bleibt die Frage, woher der Hang zu temporären Räumen in allen Lebenslagen kommt. Linkes Antwort ist simpel: Er sieht darin schlicht die Fortschreibung des temporären Zeitalters, das bereits vor Jahren mit Ikea und Wegwerfpro-dukten eingeläutet worden sei, die sich billig in anderen Weltgegenden produzieren liessen. Container sind die roten Blutkörperchen des Organismus' globalisierte Weltwirtschaft. Oder doch Krebszellen? .

6 Internationales Phänomen: Container als Flüchtlings-unterkunft. Hier Camp Nizip II in der Türkei.

7 Zürcher Schul-container im Praxis-einsatz.

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LAURA WEISSMÜLLER

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

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NOSHE, HANS KÖPPEN,

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Was tun mit den Nazibunkern in den Innenstädten? Jetzt, wo der Baugrund knapp wird, lassen sie sich nutzen. Über eine Abrüstung mit architektonischen Mitteln.

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Wenn Christian Boros nach Hause kommt, nimmt er den Seiteneingang, um ins Gebäude zu gelangen: «Sonst werde ich immer ange-sprochen.» Eigentlich ist Boros keiner, der sich versteckt. Im Gegenteil. Doch der Werber und Kunstsammler lebt in Berlin-Mitte mit Frau und Sohn auf dem Dach eines Bunkers, gleich ge-genüber dem Deutschen Theater. Der nächste Tourist ist da nie weit. «Jeder fünfte Amerika-ner will von mir wissen, wo hier Adolf Hitler gestorben ist», sagt Boros. Zu ihm sind in den vergangenen Jahren auch viele gekommen, die in seinem Bunker nicht die ausgestellte zeit-genössische Kunst sehen wollten, sondern vor Jahrzehnten hinter den dicken Mauern einmal Schutz gesucht hatten. «Es wird nie normal sein, hier zu wohnen.»

Die beste Tarnung der Hochbunker war ihre völlige NutzlosigkeitOb normal oder nicht, die Gegenwart zieht ein in die Bunker. Die Schutzbauten aus dem Zweiten Weltkrieg erleben eine Renaissance: Sie werden umgebaut zu Wohnungen, Ausstellungs-räumen, Büros. Womit ein Schlaglicht auf einen Gebäudetyp fällt, der in deutschen Städten jahrzehntelang fast unbemerkt blieb, efeube-rankt und verrammelt. Auch wenn die Bunker oft mitten im Zentrum stehen und viele Stockwerke hoch sind, bleiben die Betonriesen im toten Winkel der Wahrnehmung. Und das, obwohl von dem grössten zweckgebundenen Bauprogramm der Geschichte, bei dem zwischen 1941 und 1944 unter brutaler Kraftanstrengung und dem Einsatz von Zwangsarbeitern etwa 10 000 Hoch- und Tiefbunker im ehemaligen Reich entstan-den, nicht wenig die Zeit überdauert hat. Eine Sprengung war oft unmöglich, hätte Nachbar-gebäude beschädigt. Allein die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben besitzt 170 Hochbunker, die umgenutzt werden könnten. Offenbar war die Tarnung der Gebäude ihre Nutzlosigkeit.

Der Boom der Grossstädte dürfte der Grund für den Wandel sein: Ob München, Hamburg oder Berlin – Baugrund ist knapp, Mieten steigen. Da-mit werden Gebäude interessant, deren Umbau lange als unmöglich oder zu teuer galt. Bunker haben bis zu drei Meter dicke Aussenwände, normale Wandstärken liegen unter 50 Zentime-tern. Wer in einem Bunker leben will, muss dem Tageslicht Zugang mit Gewalt verschaffen, muss mit diamantbesetzten Seilsägen Fenster und Türen freischneiden, hunderte Tonnen Stahl-beton rausschaffen. Also war die Skepsis auch gross, als der Münchner Immobilienentwickler Stefan Höglmaier einen denkmalgeschützten

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1 Der Boros-Bunker in Berlin.

2 Kunst im Boros-Bunker. Hier von Thomas Scheibitz.

Hochbunker in Nordschwabing in einen Wohn- und Büroturm umbauen wollte. Gerechnet aber hat es sich. «In München kann man viel mehr investieren als etwa in Dortmund», sagt Höglmaier. Seine Apartments seien für Mieter, «für die Wohnungen von der Stange nicht infrage kommen».In die Penthousewohnung ist er selbst einge-zogen. Wer hier steht, umringt von üppigem Interior Design, vergisst, dass er in einem Bunker ist. Bodentiefe Fenster öffnen den Blick nach draussen, der raue Beton erinnert kaum an den

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Werk von Thomas Ruff im Boros-Bunker.

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3 Dachterrasse des Höglmaier-Bunkers in Schwabing.

4 Ansicht des SchwabingerPrunk-Bunkers.

5 Bunker-Herr Stefan Höglmaier mit Hund.

6 Kunst auch im Höglmaier-Bunker

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Schutz vor fallenden Bomben. Was sich für die Kriegsgeneration optisch mit Leid und Furcht verband, ist heute angesagt. Ob Mode, Design, Kunst oder Leben – Urbanität inszeniert sich heute auch vor nackten Betonwänden. Und trotzdem: Wer im Hochbunker steht, merkt, wo er ist. Der Schall bricht sich anders, der Beton schluckt Geräusche, die dumpfe Akustik bringt die Kriegsnächte zurück.«Es ärgert mich, wenn jemand das Gebäude als schicken Turm bezeichnet», sagt Höglmaier. «Das ist zu banal.» Beim Münchner Bunker blieben die Einschlaglöcher aus dem Krieg in der Fassade, und das Treppenhaus mit den abgegriffenen Holzhandläufen sieht so aus wie 1943. «Genug Fleisch» für Höglmaier, damit sein Bunker Bunker bleibt.Technisch geht es auch anders, wie das Projekt «Bunker beleben» der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und der TU Dortmund zeigt. Einige der dokumentierten umgebauten Hochbunker sind kaum als solche zu erken-nen. Der Kraftakt, sie umzuformen, ist leichter geworden. Als der Düsseldorfer Pastor Carl Klinkhammer 1947 mit dem Umbau eines Bunkers zur Kirche begann, war das anders. Diamantbesetzte Seilsägen gab es nicht – der Pastor musste mit der Gemeinde drei Decken und 1000 Tonnen Schutt aus dem Gebäude schaffen. Trotzdem wurde die Bunkerkirche St. Sakrament mit dem markant geschwungenen Turm zwei Jahre später geweiht. Fast 70 Jahre danach erhält die Friedensbotschaft neue Rele-vanz: Die Kirche wurde den koptischen Chris-ten übereignet, neu eingetroffene Flüchtlinge kommen dazu. Neben der Bunkerkirche soll ein Begegnungszentrum entstehen – für alle Düsseldorfer, nicht nur die neuen.In Wien schwimmen derweilen Haie durch den Bunker, Riesenschildkröten ziehen durch ihr Terrain. Das «Haus des Meeres» dürfte eine der spektakulärsten Umnutzungen sein. Dem Flak-

turm im Esterhazy-Park hat man an der Fassade ein Glassegel verpasst, im mehrstöckigen Tro-penhaus turnen Weissbüscheläffchen zwischen Papageien herum. «Wir versuchen, jedes Jahr durch ein, zwei Neuerungen attraktiv zu blei-ben», sagt Hans Köppen, Geschäftsführer des gemeinnützigen Unternehmens. Leicht ist das nicht, denn der Denkmalschutz beharrt darauf, dass der Mahnmal-Charakter des Bunkers dabei erhalten bleibt.

7 Das «Pacific Eye» im Wiener Haus des Meeres.

8 Haus des Meeres mitcharakteristischem Dachaufbau.

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Ein grüner Park hoch oben, tief unten am Boden trainiert der FC St.PauliIn Hamburg wollen sie, dass der Hochbunker in Sankt Pauli grün wird. Die Initiative Hilldegarden arbeitet daran, auf dem Dach einen Park anzu-legen. Wenn es die Stadt genehmigt, soll sich bis Ende 2017 eine sechseinhalb Meter breite Rampe bis nach oben schrauben. «Es ist der perfekte Ort, um Hamburg grüner zu machen», sagt Nadschja Hemieda auf dem 40 Meter hohen Bunkerdach. Von unten schallen die Rufe eines Fussballtrainers nach oben. Sportplätze und Stadion von St.Pauli sind nebenan – genau-so wie der Hamburger Dom, das grösste Volks-fest im Norden.«Für mich ist die Idee, hier einen öffentlichen Park anzulegen, auch eine Art der Befriedung», sagt der Architekt Michael Kuhn. Der Aufbau soll – wie eine Tischplatte – auf das bestehende Bunkerdach gesetzt werden. Einfach ist es nicht: «Der Bunker ist innen relativ offen», sagt Michael Kuhn. Das ist auch der Grund, weshalb seit den Neunzigerjahren Mieter einzogen. Musikstudios, ein Konzertsaal, eine Radiostation, der Club «Uebel und Gefährlich». Nicht alle Nutzer finden die Idee mit dem Park gut, einige Bewohner des Viertels befürchten neuen Rummel. Die Nazis übrigens hatten eigene Ideen, wie sie ihre Bun-ker nach dem Krieg nutzen wollten. Die grössten sollten mit schwarzem Marmor ummantelt und als «Denkmal des Endsiegs» inszeniert werden. Die Geschichte hatte andere Pläne. .

9 Herzstück der neuen Dachnutzung: Eine Sport- und Freizeithalle.

10 Drumherum: Alles grün.9 10

Vision des umgenutzten Hochbunkers in Hamburg.

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«Zaha Hadid Architekten gewinnt Wettbewerb um Erweiterungsbau in Russlands Silicon Valley.» «Zaha Hadid Architekten ausgewählt für das Pavilion-Gardens-Projekt in Bournemouth.» «Zaha Hadid Architekten frischt mit einem benach-barten Bau den Prager Masaryk-Bahnhof auf.» Meldungen aus den letzten gut zwei Monaten. Sie tickerten im täglichen Strom der Nachrichten über den News-Desk, folgten unmittelbar auf eine vorhergehende Meldung, wurden unmittel-bar gefolgt von der nächsten. Dennoch stachen sie heraus und liessen jeweils ganz kurz innehal-ten. Denn Zaha Hadid ist nicht mehr da. «It is with great sadness that Zaha Hadid Archi-tects have confirmed that Dame Zaha Hadid died suddenly in Miami in early hours this morning.» In den frühen Morgenstunden des 31. März 2016 verstarb Hadid in Miami im Alter von 65 Jahren überraschend. Sie hatte einen Herzinfarkt erlitten. Wenige Tage davor sei sie wegen einer Bronchitis behandelt worden, bestätigte ihr Büro in derselben Mitteilung.Mit Zaha Hadid ist an jenem Donnerstagmorgen eine Frau gestorben, die wie keine andere in den letzten drei Jahrzehnten – und vermutlich nie zuvor – die Architektur und ihr nahverwandte Be-reiche geprägt hat. Als solche wurde sie verehrt und gehasst: als Frau, als Architektin, Vordenke-rin, als Zudienerin diktatorischer Regimes.

1 Hadids Erstling: Die Vitra-Feuerwache

in Weil am Rhein.

2 Im MAXXI in Rom.

Sie ist nicht mehr. Ende März ist Zaha Hadid, die erste Pritzker-Preisträgerin und die erste weibliche Trägerin der RIBA Royal Gold Medal, überraschend gestorben. Farewell an ein Multitalent. 1

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22GefördertDie Familie, in die Zaha Mohammad Hadid 1950 in Bagdad hineingeboren wurde, pflegte einen westlich liberalen Lebensstil. Der Vater, ein reicher Industrieller und mehrmaliger Finanzmi-nister, war ein Anhänger sozialdemokratischer Ideen und Mitgründer mehrerer liberal-demokra-tischer Parteien im Irak. Mit den Eltern und ihren beiden älteren Brüdern bereiste Hadid schon im Kindsalter die halbe Welt. Dabei zeigte sich ein frühes Interesse an Kultur, Kunst und Architektur. Mit elf Jahren soll sie gewusst haben, welchen Beruf sie erlernen will. Nach der Schulzeit in einem katholischen Nonnenkloster in Bagdad und später in einem Schweizer Internat studierte Hadid Mathematik an einer Universität in Beirut und schliesslich – zwischen 1972 und 1977 – Architektur in London. Nach einem brillanten Abschluss arbeitete sie

kurz im Büro ihres Dozenten und frühen Förde-rers, Rem Koolhaas, und nahm ihre erste von später zahlreichen universitären Lehrtätigkeiten auf. 1980 eröffnete sie in London ihr eigenes Büro, «Zaha Hadid Architects».Hadids Talente in Architektur und Design blieben nicht unentdeckt. Doch als Frau im Männer-Me-tier und als Araberin im Westen hatte sie hart zu kämpfen. Mit so radikalen wie brillanten Entwür-fen handelte sie sich den Ruf einer Theoretikerin, einer Papierarchitektin ein. Ihre Entwürfe galten als visionär. Sie zu bauen getraute sich jedoch niemand. So erging es 1983 dem Entwurf «The Peak» für ein Freizeitzentrum an Hanglage über Hongkong, Hadids erstem Wettbewerbs-sieg. So erging es viel später, 2007, ihrem Stadtcasino für Basel, vor dem das Stimmvolk zurückschreckte. Und so ging es zahlreichen Entwürfen dazwischen.

3 Unverkennbar, auch auf Wasser. Hadid-Jacht für Blohm+Voss.

4 Auch Schuhe (oder ähnliches) entwarf Hadid.

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stelle in Strassburg, 2003 die Bergisel-Schanze in Innsbruck sowie das Rosenthal-Zentrum für zeitgenössische Kunst in Cincinnati, 2009 das MAXXI, das nationale Museum der Künstedes 21.Jahrhunderts in Rom, 2012 mit dem olympischen Schwimmstadion in London der langersehnte Wurf in ihrer Lebensstadt London. Oder 2013 das Haydar-Aliyev-Zentrum in Baku, dass aussieht, als wäre es als Flüssigkeit auf dem Bauplatz ausgeschüttet worden.Gut zehn Jahre nach ihrem gebauten Erstling wurde Hadid 2004 als erster Frau der Pritzker- Preis verliehen, 2016, kurz vor ihrem Tod, als ers-ter Frau die Royal Gold Medal des Royal Institute of British Architects (RIBA). In ihrem Londoner Büro, das Hadid über 35 Jahre – und über weite Strecken mit ihrem Weggefährten Patrick Schu-macher – aufgebaut und vorangetrieben hatte, beschäftigten sich zu diesem Zeitpunkt rund

Geliebt1993 war es ein Schweizer, der sich ein Herz fass-te. Rolf Fehlbaum, damals operativer Geschäfts-führer des Möbelunternehmens Vitra AG, gab Hadid mit dem Feuerwehrhaus des Vitra-Werks in Weil am Rhein die Gelegenheit, ihren ersten Entwurf umzusetzen. Zur Zusammenarbeit war es zufällig gekommen. «Wir wollten einen Stuhl entwickeln, aber das war zu kompliziert, also ha-ben wir ein Gebäude gebaut», sagte Fehlbaum gegenüber der «NZZ am Sonntag». Die messerscharf geschnittene Feuerwache war der Nachweis, dass Hadid-Pläne realisierbar sind. Ab Geburtsstunde galt sie als Ikone der zeitge-nössischen Architektur. Und sie war der Auftakt zu einem unglaublichen Reigen an teils unfassba-ren Projekten, die im Verlaufe von Hadids Karrie-re kontinuierlich fliessender, organischer wurden:Kurz nach der Jahrtausendwende die Tramhalte-

400 Mitarbeitende aus 55 Ländern mit etwa 1000 Projekten in mehr als 40 Ländern. Die Zahlen belegen Hadids unermüdliche Schaffenskraft jedoch nur zu einem Teil. Denn nebst Gebäuden entwickelte sie Möbel, Schuhe, Yachten, Leuchten, Weinflaschen, einen Auto-Prototypen oder auch Bühnenbilder und Messe-Pavillons. Nebst alle dem hatte sie als globaler A-Promi, zu dem sie sich in den Nuller-jahren mauserte, ein beträchtliches Pensum an öffentlichen Auftritten zu bewältigen.

GehasstEbenfalls Anfang der 1990er-Jahre und ebenfalls spätestens mit der Realisierung der Feuerwache in Weil am Rhein nahm ein anderer Reigen seinen Anfang: jener der harschen bis sexistischen Kritik. Kritik etwa, wonach sich Hadid-Architektur in keiner Weise um Funktionalität kümmere oder

5 Dongdaemun Design Plaza in Seoul. Von aussen.

6 Und innen.

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um Einpassung in die gebaute und natürliche Umgebung. In der Feuerwache, so heisst es, sollen sich Feuerwehrleute verrannt haben, als es pressierte. Die Kritik, wonach Hadid mit Bauten für zweifel-hafte Regimes in Asien und in den Golfstaaten half, Bühnen für Autokraten zu errichten. Oder ebenso so stumpfsinnige wie oft wieder-holte Kritik, eine Diva zu sein. Darauf jeweils ihre berechtigte Rückfrage: «Würden Sie mich auch Diva nennen, wenn ich ein Kerl wäre?» Als Frau, die 30 Jahre durch das Stahlbad einer Männer-Branche ging, wusste sie plumpen Sexis-mus schnörkellos zu kontern. Demgegenüber blieb sie in der Beurteilung ihrer Autokraten-bauten oder der Bedingungen auf den entspre-chenden Baustellen irritierend unsouverän und teils widersprüchlich. Vor zwei Jahren ging sie juristisch gegen eine New Yorker Zeitschrift vor, die über Missstände auf ihrer Stadion-Baustelle in Katar berichtet hatte. Knapp zwei Jahre später marschierte sie bei laufendem Mikrofon aus einem BBC-Interview, als dasselbe Thema zur Sprache kam. Über Katar sagte Hadid einmal, ihr fehle die Macht, etwas an den Zuständen zu ändern. Bei anderer Gelegenheit und in anderem Zusam-menhang gab sie zu Protokoll, sie trage den Traum in sich, dass Architektur das Leben der Menschen verbessern könne. Vielleicht hat Hadid die Möglichkeiten unterschätzt, die sich ihr als weltbekannte Gestalt des öffentlichen Lebens in solchen Angelegenheiten geboten hätten. Mit Zaha Hadid ist ein schwer greifbarer, genialer Geist abgetreten, ein Inspirationsquell für eine ganze Generation von Architekten und Künstlern. Und ein Vorbild für Frauen, gerade auch für sol-che aus dem arabischen Raum. Vielleicht ist das mehr Wert als ein verweigerter Autokratenbau..

7 Innenansicht des Corones Messmers sechstem Mountain Museum.

8 Unübliche Umgebung,unverkennbar Hadid.

9 Messmer selbst bei der Eröffnung im Juli 2015.

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In der Arbeitswelt ist der Wandel die Konstante. Prof. Sibylla Amstutz, Architektin und Leiterin des Projekts Meet2Createam Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern, erklärt, warum die Arbeitsumgebung Stabilität bieten muss.

Sibylla Amstutz, Leiterin des Büroprojekts Meet2Create, das im Empa NEST getestet wird.

RÜCKZUGINS BÜRO

TEXT: SARAH NIGG FOTO: HSLU

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«Quer»: Sie erforschen die Arbeitswelt schon seit über acht Jahren. Welches sind die drängendsten Probleme? Sibylla Amstutz: Die heutigen Kommunikations-technologien erlauben es, die Arbeit unabhän-gig von Ort und Zeit zu erledigen. Das bringt sicher viele Vorteile, aber es zeigt sich auch, dass die Anforderungen an Selbstmanagement, beispielsweise durch die ständige Erreichbarkeit und die Selbstmotivation, in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. Wer das nicht schafft, bleibt auf der Strecke. Daneben zeigt sich eine schwindende Verbundenheit mit dem Unterneh-men, den Kolleginnen und Kollegen sowie den Führungskräften. Wir sprechen hierbei von einer De-Kontextualisierung der Mitarbeitenden.

Wie kann das verhindert werden?Das physische Büro übernimmt eine wichtige Funktion, indem es einen Hafen für die Mitarbei-tenden bietet und damit Kontext schafft.

Welche Rolle spielt dabei die Architektur?Architektinnen und Architekten müssen die Grundvoraussetzungen für Officegebäude schaf-fen, die den gesellschaftlichen Wandel berück-sichtigen und auf die Bedürfnisse der Nutzen-den eingehen. Wir vom Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur postulieren seit Jahren das Human Office, ein Büro, das die Tätigkeiten und Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigt.

Welches sind denn die Bedürfnisse der heutigen Büromitarbeitenden?Sie brauchen Handlungsspielräume und müs-sen verschiedene Zonen für die Vielfalt ihrer Aufgaben zur Verfügung haben. Dazu gehören Rückzugsorte für konzentriertes Arbeiten, vor allem aber auch Räume für intensive Teamarbeit. Weiter braucht es auch Raum für Begegnung und den informellen Austausch.

Austausch und Zusammenarbeit können doch auch gut in einem Grossraumbüro stattfinden.Natürlich begegnen sich die Menschen im Grossraumbüro; dass dies jedoch auch Konflikt-potenzial birgt, belegen viele Studien. Auch unsere Forschung zeigt, dass die Probleme, mit denen Mitarbeitende in Grossraumbüros kämpfen, in etwa immer die gleichen sind: Gespräche der Kolleginnen und Kollegen stören, den einen ist es zu kalt, den anderen zu warm. Die Mitarbeitenden können dabei oft keinen Einfluss auf ihr Umfeld nehmen und fühlen sich ausgeliefert – das beeinflusst ihre Produktivität und Zufriedenheit.

Trotzdem entstehen heute viele Grossraumbüros. Warum?Meistens geht es den Unternehmen darum, Kosten zu sparen und möglichst viele Arbeitsplätze auf der Fläche unterzubringen. Es ist aber auch erwünscht, dass sich die

Mitarbeitenden austauschen und informiert sind, und dies ist ein grosser Vorteil beim Grossraumbüro.

Wie kann ein Grossraumbüro denn gut funktionieren?Vielleicht braucht es ein Umdenken bei der Nutzung. So könnte zum Beispiel Kommunika-tion im Grossraum und an den Gruppentischen erlaubt und sogar erwünscht sein. Die konzen-trierte Tätigkeit könnte an unterschiedlichen Orten und Arbeitsplätzen ausgeführt werden, entweder zu Hause oder an speziell gestalteten Rückzugsräumen im Unternehmen. Darüber hinaus braucht es aber auch geeignete Orte und neue Konzepte für Projektarbeit, die durch die heutigen Meetingräume oft nicht angemessen unterstützt wird.

Können solche Faktoren Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigern?Natürlich nützt bei schlechter Stimmung im Team der beste Raum nichts. Allerdings kann eine kluge Gestaltung der Arbeitsumgebung tatsächlich grosse Auswirkungen auf die Pro-duktivität haben. Und das führt zu mehr Zufrie-denheit. Es ist ja so: Je produktiver ein Mensch arbeiten kann, desto zufriedener ist er. .

«Das physische Büro übernimmt eine wichtige Funktion, indem es einen Hafen für die Mitarbeitenden bietet und damit Kontext schafft.»

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BÜRO IMLABOR

Forscherinnen und Forscher der Hochschule Luzern entwickelten ein Labor für Arbeitswelten der Zukunft. Realisiert wurde es jetzt auf dem Gelände der Eidgenössi-schen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa in Dübendorf. Die Räume werden von Mitarbeitenden der Hoch-schule, der Empa und Wirtschaftspartnern genutzt.

TEXT: SARAH NIGG FOTOS: EMPA

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Die grüne Wandfarbe, der Boden aus Stein und Holz, die Pflanzen, die den Feuchtigkeits- und Sauerstoffhaushalt regulieren: Die gesamte Atmosphäre erinnert an eine Orangerie. Zudem gibt es hier keine konventionelle Heizung, das Raumklima wird lediglich durch die Raumstruktur, die Fassadenkonstruktion und durch den Einsatz von sogenanntem Phase-Change-Material ge-währleistet, das Wärme speichert und sie verzö-gert abgibt. Eigentlich präsentiert sich der Raum abgeschlossen, die vom Gesetz definierte Bau-linie würde keine Balkone an der Fassade erlau-ben. Doch Natalie Plagaro Cowee, Architektin an der Hochschule Luzern, hat sich eine besondere Strategie ausgedacht, damit sich Sitzungen auf dieser ersten Etage trotzdem draussen abhalten lassen. «Mit dem Drehbalkon können sich zwei Personen an die frische Luft schwingen», erklärt sie. Er gibt dem Raum seinen Namen: «In-Out».

Der Raum ist Bestandteil einer neuen Arbeitsum-gebung namens Meet2Create, die ein interdiszi-plinäres Forschungsteam der Hochschule Luzern unter der Leitung des Kompetenzzentrums Typologie & Planung in Architektur (CCTP) ent-wickelt hat. Dem dreiteiligen Konzept liegen die Bedürfnisse von mobil-flexiblen Mitarbeitenden zugrunde, die zu Hause konzentriert arbeiten, unterwegs zum Kundenbesuch ihre E-Mails be-antworten und sich zu Arbeitssitzungen im Café treffen. Für sie planten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Büro, das in der beweg-ten Arbeitswelt die Funktion eines Fixpunktes übernehmen soll. Es wird zum Ort, an dem «man sich trifft», oder – um es mit dem Motto des For-schungsteams zusammenzufassen – es entwickelt sich «from Workplace to Taskspace». Das Büro wird als Forschungslabor für Arbeitswelten der Zukunft auf einer Fläche von rund 280 Quadrat-

metern ins NEST-Gebäude auf dem Gelände der Eidgenössischen Materialprüfungs- und For-schungsanstalt Empa in Dübendorf eingebaut. Nutzen werden es Mitarbeitende der Empa, der Hochschule Luzern und Wirtschaftspartner.

Mehr Raum für Zusammenarbeit In 16 Prozent der Unternehmen sind laut einer Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz flexible Arbeitsmodelle ein Thema, eine grosse Mehrheit – 90 Prozent – beschäftigt sich zumin-dest damit. «Das Büro muss sich somit verän-dern», sagt Sibylla Amstutz, Projektleiterin von Meet2Create der Hochschule Luzern. Ihr Team wolle unter anderem Antwort auf die Frage ge-ben, wie Bürogebäude auf veränderte Arbeits-weisen und neue Anforderungen räumlich und technisch reagieren können. Meet2Create basiert auf der These, dass in der zunehmend mobil-

NEST: Die neue Forschungsplattform der Empa wurde im Mai eröffnet.

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flexiblen Arbeitswelt der Anteil an konzentrierter Einzelarbeit in den Büros abnehmen wird, die Zusammenarbeit im Team jedoch zunimmt. Im Konzept ist der Anteil an Meeting- und Workshop-räumen im Verhältnis zu den Einzelarbeitsplät-zen deshalb ungleich höher als in den meisten konventionellen Büros. Es verzichtet denn auch auf fix eingerichtete Einzelplätze. Vielmehr bietet es Teams und Einzelpersonen unterschiedliche Möglichkeiten zum Arbeiten; dazu gehören vor allem Räume für Zusammenarbeit, aber auch Rückzugsorte für individuelles Arbeiten. Dabei legt das Forschungsteam Wert darauf, dass die Umgebung viele Handlungsspielräume bietet und das innovative Denken und die kreative Zusammenarbeit fördert.

Konzipiert für moderne NomadenDer grüne Raum «In-Out» ist für Brainstormings, Diskussionen oder Workshops da. Ebenfalls hauptsächlich für Zusammenarbeit, Austausch und Begegnung konzipiert ist «Hybrid». Er geht in der Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten aber etwas weiter als «In-Out». Weiss gestrichen und mit einer flexiblen Möblierung ausgestattet, erinnert er an eine Bühne, auf der je nach Stück unterschiedliche Kulissen zum Zuge kommen. Hier können Firmen Workshops durchführen, und Vorträge oder Filmvorführungen organisie-ren. Bei der Einrichtung von «Hybrid» hat das Forschungsteam mit Vitra gearbeitet, einem der Wirtschaftspartner, der das Projekt Meet2Create unterstützt und auch selbst forscht. «Für uns geht es vor allem darum, Neues auszuprobieren», sagt Jürgen Dürrbaum, verantwortlich für das internationale Projektgeschäft von Vitra. Damit der Raum den unterschiedlichsten Bedürfnissen gerecht wird, verfolgte das Vitra-Team zusammen mit der Hochschule Luzern das Prinzip der Hyperflexibilität: Die Tische können in Sofas umgewandelt werden, lassen sich verschieben und verstauen. Als spezielle Herausforderung

dabei erweist sich laut Dürrbaum jeweils die Stromzufuhr. In «Hybrid» überzieht nun ein Schienennetz mit Mehrfachsteckern die Decke. Flexible oder zerlegbare Möbelsysteme sind für Dürrbaum ein Kennzeichen von mobilen Gesellschaften wie den Nomaden, die mit dem knappen Platz in ihren Zelten haushalten müssen. Bei der Anwendung dieses Prinzips auf Büros für Arbeitsnomaden stellt Dürrbaum das Gleiche fest wie das Forschungsteam des CCTP: «Es gibt einen zunehmenden Bedarf nach Räumen für Zusammenarbeit, Tische müssen zusammengerückt werden können. Räume müssen hoch flexibel werden.»

Einflussnahme im Kokon Der dritte Raum wird «Cocoon» genannt und verfügt sowohl über Teamarbeitsplätze als auch über Einzelarbeitsplätze. Die beiden Bereiche sind getrennt durch einen Erker, der mit einer Tageslichtdecke ausgestattet ist. Mit der implementierten LED-Technologie kann der Tageslichteinfall verstärkt werden, sie lässt sich entlang des zirkadianischen Rhythmus, des Schlaf-Wach-Rhythmus, steuern. Weiter verfügt der Erker über beschreibbare Wände. Hier können die Mitarbeitenden sich für Ad-hoc-Mee-tings in kleineren Gruppen treffen. In «Cocoon» wird laut Sibylla Amstutz mit der Einrichtung der Einzelarbeitsplätze das grösste Mass an Rückzug und Privatsphäre realisiert. So lassen sich dort die Heizung, Kühlung, Lüftung und das Licht individuell einstellen.

Spezifisches Energiemanagement In Meet2Create streben die Wissenschaftler das optimale Gleichgewicht zwischen Mensch, Raum und Technik an mit dem Ziel, den Ener-gie- und Ressourcenverbrauch auf ein Minimum zu reduzieren. Wenn immer möglich, wird – wie im Raum «In-Out» – das Raumklima über die Gebäudestruktur, die Fassadenkonstruktion und

den Einsatz von Materialien gesteuert. «In-Out», «Hybrid» und «Cocoon» verfügen über ein jeweils anderes Energiemanagement und eigene Lösungen für das Raumklima. Während in «In-Out» ein passives Konzept mit Materialien realisiert wird, dominieren in «Cocoon» und «Hybrid» Hightech. In «Cocoon» kann der Nutzer das Klima beeinflussen, in «Hybrid» übernimmt der Raum die Regelung und reagiert selbstständig auf Lichteinfall, Aussentemperatur und darauf, wie viele Menschen im Raum sind.

Arbeiten als Erlebnis Im Mai nun wurde NEST eröffnet. Seither steht die Unit Meet2Create den Benutzerinnen und Benutzern zur Verfügung und wird von ihnen auf Herz und Nieren geprüft. Reto Largo, Projektleiter von NEST, ist einer der Haupt-nutzenden der neuen Bürowelt und gespannt, wie die Arbeitsumgebung die Produktivität der Mitarbeitenden steigern kann. «Ich freue mich darauf, dass das Arbeiten in diesen Räumen zu einem echten Erlebnis wird, Spass macht und sich damit eine längerfristige Performance der Arbeitsleistung halten lässt.».Dieser Artikel erschien im Magazin der Hochschule Luzern vom Februar 2016. Weitere Informationen: www.hslu.ch/cctp

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Marie Glaser,ETH Zürich

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«Zu grosse Räume. Zu grosse Fenster. Zu viel Licht.»TEXT UND FOTOS: BEAT MATTER

Die Gesellschaft verändert sich rasant, die Wohnstrukturen humpeln langsam hinterher. Wohnen wir, wie wir wollen? Weshalb sind gewisse 60er-Jahre-Wohnbauten wieder Kult? Und weshalb sind Betonwände mühsam? Marie Glaser, Leiterin des ETH Wohnforums an der ETH Zürich, weiss es. ➤

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«Quer»: Wann sind Sie zuletzt umgezogen?Marie Glaser: Letzten Februar. Wir haben ein zweites Kind bekommen und brauchten mehr Wohnraum.

Hatten Sie Mühe, etwas zu finden?Wir fürchteten, nie eine passende Wohnung in unserem Zürcher Quartier zu finden. Nachdem wir bereits Monate davor unsere Verwaltung über den Umzugswunsch informiert hatten, klin-gelte dann aber plötzlich das Telefon und man bot uns eine frei werdende grössere Wohnung in unserer Liegenschaft an. Es war ein ausserge-wöhnlicher Glücksfall.

Im April fand die Jahrestagung des ETH-Wohnforums statt. Titel: «Der gerechte Preis». Unterzeile: «Wie schafft man kosten-günstigen und qualitätsvollen Wohnraum?» Billig und gut – ist das gerecht?Nicht unbedingt, nein. Im Zentrum der Tagung standen nicht Rezepte für billiges Bauen, sondern Konzepte für günstiges Wohnen. Und

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Wenig ausserhalb der Stadtgrenzen sind die Mieten bereits deutlich günstiger. Gleichzeitig wächst alles zusammen. Müssen wohnpolitische Fragen gross-räumiger verhandelt werden?Vermutlich schon. Unter der Voraussetzung allerdings, dass die Infrastrukturen in diesem grösseren Raum so angelegt sind, dass es ge-rechten Zugang gibt für alle. Problematisch wird es zum Beispiel dann, wenn ein Armutsbetroffe-ner, der in Zürich einer Arbeit nachgeht, so weit von Zürich weg wohnen muss, dass er sich den Arbeitsweg zeitlich und finanziell eigentlich gar nicht leisten kann.

Wohnt die Schweizer Bevölkerung insgesamt so, wie sie wohnen will? Aufgrund von Umfragen, die regelmässig zu sol-chen Themen durchgeführt werden, kann man annehmen, dass die meisten recht zufrieden sind mit ihrer Wohnsituation. Sie wohnen relativ gut – und auf einem im internationalen Vergleich unglaublich hohen Standard. Anders die knapp zehn Prozent der Bevölkerung, die an der Armuts-grenze entlangschrammen. Sie wohnen an schlechten Lagen, in schlechten Bedingungen und gemessen daran zu überhöhten Preisen.

Sie haben schon mehrfach kritisiert, dass bei Sanierungen durch zahlreiche Vorgaben und insgesamt hohe Standards aus vergleichsweise preisgünstigem Wohnraum teurer Wohnraum gemacht wird. Müssen hier Vorgaben gelockert werden?Man muss zumindest darüber diskutieren, ob das unter gewissen Umständen denkbar wäre. Denn irgendwann ist eine Grenze erreicht, wenn es nach wie vor möglich sein soll, preisgünstigen Wohnraum bereitzustellen. Altbauten sind in den Städten jene Objekte, in denen preisgüns-tiges Wohnen noch möglich ist. Werden die Altbauten nach und nach durch Sanierung im

zwar günstig in dem Sinne, dass Wohnangebo-te gemacht und gesichert werden können, in denen ein gerechtes Verhältnis besteht zwischen dem, was man an Miete bezahlt und dem, was als Haushaltseinkommen zur Verfügung steht.

Wer macht solche Angebote?Ich denke zunächst an gemeinnützige und kom-munale Projekte. Mittlerweile gibt es aber auch Akteure im privaten Sektor, die die Nachfrage erkannt haben und gezielt Wohnraum im preis-werten Segment schaffen wollen.

In Zürich wurden im vergangenen Jahr 37 Prozent aller neuen Wohnungen von Genossenschaften gebaut. Wird die Stadt dadurch gerechter?Ich würde sagen, sie bleibt gerecht. Um sie gerechter zu machen, müsste der Anteil noch höher liegen. Ganz sicher wäre die Stadt ohne gemeinnützige Angebote viel stärker segre-giert. Durch das heutige Angebot ist eine gute Durchmischung gewährleistet. Nicht in jedem Quartier, das muss auch nicht sein, aber doch über die Stadt hinweg.

Genf und Zürich sind im internationalen Vergleich kleine Städte. Sie zählen seit Jahren zu den teuersten Städten der Welt. Die Idee, dass sich an diesen kleinen Super-Hotspots Menschen jeder Einkommensklasse Wohnraum leisten können sollen, ist doch absurd.Nein. Denn eine Stadt ist erst eine Stadt, wenn verschiedene soziale Gruppen daran teilhaben können. Durch soziale Mischung entsteht erst, was jene, die viel Geld haben und unbedingt in die Zentren ziehen wollen, an diesen Städten so schätzen: Urbanität. Und gleichzeitig haben sie selbst ja in der Regel gar keine Zeit, um das städtische Leben herzustellen, das sie so gerne mögen.

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Niveau angehoben, verschwindet günstiger Wohnraum. Das ist ein Problem, dem man mit sozialpolitischen Überlegungen begegnen muss und nicht nur mit Marktlogik begegnen darf.

Die Gesellschaft hat sich in den letzten 20 Jahren massiv verändert. Trotzdem wohnt ein Grossteil noch in alten Strukturen. Wann und wie ändert sich das?Die Gesellschaft, in der wir leben, ist mit Sicher-heit dynamischer als die Strukturen, in denen wir wohnen. Obwohl Ausnahmeerscheinungen, sind Projekte wie «Mehr als wohnen» oder die Wohn- und Gewerbesiedlung Kalkbreite in Zürich deswegen wichtig. Sie bieten Raum, um neue Wohnformen realisieren und ausprobieren zu können. Diese Wohnformen müssen nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Aber durch Auspro-bieren können Erkenntnisse gewonnen werden, die uns weiterbringen und irgendwann auch der breiteren Bevölkerung zugute kommen.

Das Lochergut in Zürich ist ein bekanntes Beispiel für eigentlich überholte Strukturen aus den 1960er-Jahren. Das Lochergut steht jedoch nicht leer, sondern ist Kult. Wie ist das zu erklären?Das liegt weniger an den Strukturen, als mehr daran, dass dort an städtischer Toplage ver-gleichsweise preiswerte Wohnungen angeboten werden. Das lockt eine junge, kreative, oft noch kinderlose Klientel an, die aber nicht ewig dort wohnen wird.

Kann es der Anspruch sein, Wohnraum zu schaffen, in dem eine Klientel ihr Leben verbringt?Nein. Es geht darum, dass alte Strukturen heute die Bedürfnisse einer klaren Zielgruppe möglicherweise sehr gut befriedigen, jene von anderen Zielgruppen dafür fast gar nicht. Darauf kann man konstruktiv aufbauen, indem man

beispielsweise versucht, alte, tendenziell kleinere Wohnstrukturen gezielt auf Alterswohnen auszu-richten. Das würde Sinn machen. Denn entspre-chende Gebäude stehen oft an zentralen Lagen, verfügen über Aufzüge und gute Haustechnik und entsprechen nicht zuletzt einer Struktur, die ältere Menschen eher gewohnt sind.

Stattdessen werden für Alterswohnen neue, moderne Wohnungen gebaut, in denen sich ältere Leute oft nicht wohl fühlen. Wie kommen solche Fehlausrich-tungen zustande?Das hat bereits mit der Ausbildung zu tun. Es ist eben nicht Hauptfach der künftigen Archi-tektinnen und Architekten, über die künftigen Nutzerinnen und Nutzer ihrer Gebäude nachzu-denken. Im Zentrum der Ausbildung steht der architektonische Entwurf. Man muss aber auch sagen, dass entsprechende Anforderungen in Wettbewerben oftmals zu wenig klar formu-liert werden. Beispielsweise Genossenschaften können hier ihre Erfahrungen und Erwartungen klarer einbringen, wenn sie Neubauten wollen.

Ein Bauherr möchte eine neue Siedlung er-stellen. Geben Sie ihm einen Rat.In der neuen Siedlung sollte mit einem vielfälti-gen Angebot unterschiedlichen Nutzergruppen Raum zur Verfügung gestellt werden: Einen gefächerten Wohnungsmix mit kleinen bis grossen Wohnungen, so dass Umzug innerhalb der Siedlung möglich wird. Mit verschiedenen Wohnmodellen. Mit Abstufungen aus privaten, halböffentlichen und öffentlichen Raumange-boten, die Begegnung und damit sozialen Austausch ermöglichen. Und ganz wichtig: Mit einer intelligenten Erdgeschossnutzung.

Sie haben in einem Interview gesagt, die Vereinheitlichung von mittel- bis hoch-preisigen Immobilien gefalle ihnen nicht.

Das habe blossen Repräsentationscharakter, da finde keine Wohnlichkeit statt. Woran machen Sie fest, wo Wohnlichkeit stattfindet und wo nicht?Wohnlichkeit ist etwas Atmosphärisches. Sie hat zu tun mit Räumen, die beispielsweise in ver-schiedener Hinsicht Graduierung schaffen: Grös-sere Räume, mittlere Räume, kleinere Räume, Räume mit mehr Einsicht, geschütztere Räume, hellere Räume, dunklere Räume. Demgegen-über sehen wir heute häufig lichtdurchflutete offene Raumkonzepte mit grossen Fenstern. Das mag aus gewissen Gründen toll sein. Tatsächlich sind jedoch viele Leute überfordert mit viel zu grossen Räumen, mit viel zu viel Fensterfläche und viel zu viel Licht. Hinzu kommen Materialien, die zwar lange halten, die es im Gegenzug aber kaum erlauben, dass man sich die Wohnung als Nutzer in irgendeiner Art aneignen kann, um sie individueller zu gestalten. In meiner Wohnung haben wir beispielsweise Betonwände, wie man sie heute oft sieht. Um da ein Bild aufzuhän-gen, brauche ich eine Bohrmaschine und muss dübeln. Das ist doch mühsam.

Es braucht günstig herzustellende, ener-getisch sparsame, architektonisch gute, hochverdichtete, aber doch harmonische und zugleich Vielfalt fördernde Wohnbauten, in denen bezahlbarer Wohnraum verfügbar ist. Verliert man da manchmal die Hoffnung?Nein. Weil ich weiss, dass es Leute gibt, die hier und heute über das Wissen und die Erfahrung verfügen, wie man solche Ansprüche vereinen kann. Man kann sich von ihnen beraten lassen, sei es als Bauherr oder auch als Planer.

Es wäre also eine faule Ausrede, wenn man behauptete, die Ansprüche liessen sich nicht unter einen Hut bringen?Ja. .

Balkonbrüstungen und Fensterbänke, Wohnhaus Maaghof, Zürich.Weitere Ideen und Umsetzungen: betonelementwerk.ch

Elementwerk Istighofen AG, CH-8575 Bürglen

IN SZENE GESETZT: DAS BETONELEMENT

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Balkonbrüstungen und Fensterbänke, Wohnhaus Maaghof, Zürich.Weitere Ideen und Umsetzungen: betonelementwerk.ch

Elementwerk Istighofen AG, CH-8575 Bürglen

IN SZENE GESETZT: DAS BETONELEMENT

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Ein riesiger Pottwal. Nur Schwanzflosse, Nase und eine Seitenflosse sind gut sichtbar. Der Rest des gewaltigen Tieres ist verschleiert von einer regenbogenfarbenen Wolke. Hat der Wal die Wolke selbst ausgeblasen? Explodiert er gerade und blutet farbig aus? Oder schwebt er bereits auf einer kunterbunten Wolke im Himmel? Und was zum Teufel hat diese seltsame Maschine am Boden mit all dem zu tun, die über zwei schwar-ze Kabel mit der Wand verbunden ist? Fragen über Fragen. Und Antworten vermutlich so viele, wie Menschen das Bild betrachten. Das ist die Welt von Nevercrew. Das Tessiner Streetart-Duo hat das Bild 2014 am «Urban Arts Festival» in Winterthur an die Wand einer Sulzer-Fabrikhalle gesprayt und gemalt. Es zeigt typisch, wie die Künstler die Gegeben-heiten vor Ort aktiv in ihre Arbeit einbeziehen und als Basis nutzen, um darauf etwas Neues entstehen zu lassen. Seit 20 Jahren sind Christian Rebecchi (36) und Pablo Togni (35) unter dem Namen «Nevercrew» aktiv. Zunächst vor allem im Tessin, dann weiter herum in der südlichen Schweiz, heute weltweit. Im Februar haben sie die Schweiz auf Einladung von Pro Helvetia an der «St+art Delhi 2016» in Indien vertreten und dort mit den zwei grossflä-chigen Werken «see through» und «see beyond» für Furore gesorgt: Für «see trough» malten und sprayten Rebecchini und Togni einen gros-sen regenbogenfarbigen Meteoriten an eine Hausfassade mit einem grossen portalähnlichen Durchguck und setzten einen Astronauten oben auf die Dachkante. Vom Vorplatz aus betrachtet

Das Tessiner Streetart-Duo betreibt künstlerisch-politische Stadtraumgestal-tung auf Weltniveau. Seit 20 Jahren ge-meinsam aktiv, sind Christian Rebecchi und Pablo Togni heute weltweit unter-wegs. Sogar in der Deutschschweiz.

höckelt der Spaceman in Vollmontur gemütlich auf dem wohl rasant durch das All schiessenden Meteoriten. Und in dessen Mitte ist durch das Portal ein idyllischer Innenhof sichtbar. Ein Garten Eden? Wer weiss. Derselbe Astronaut taucht in «see beyond» wieder auf. In Nahaufnahme und auf sechs knallblaue, gestapelte Schiffscontainer aufge-tragen. Er war eines der zentralen Symbole des Delhi-Festivals. Der Indien-Trip war nicht der erste Auftritt im Namen der Schweiz für Nevercrew. Bereits 2014 bemalten die beiden auf Einladung der Schweizer Botschaft in Kairo dessen Aussenmauern.

Comics, Covers, WändeRebecchi in Bellinzona und Togni in Lugano – beide wuchsen in kunstaffinen Elternhäuser auf. Sie seien früh geprägt worden von der offenen Haltung der Eltern und vor allem von deren Offenheit, die Kinder ihre Welt selbst entdecken zu lassen, sagte das Duo im Interview mit einer deutschen Internet-Plattform für urbane Kultur. Bereits in Schulalter zeichneten und malten sie, ersannen und erbauten Dinge und schrieben. Jeder für sich. Heute gehen die beiden Künstler nebst «Nevercrew» keine eigenen künstlerischen Wege mehr, sondern lassen ihre Unterschied-lichkeit in den gemeinsamen Projekten oft ge-nug live vor Publikum aufeinander krachen.1996 lernten sich Rebecchi und Togni in Lugano kennen und begannen, in unterschiedlichen Bereichen zusammenzuarbeiten: Sie zeichneten Comics, gestalteten CD-Covers, drehten Videos. Und begannen, Wände zu bemalen. Ein Jahr später besuchten beide das Liceo Artistico in Lugano und danach die Brera Art Academy in Mailand. Daneben produzierten sie Werk um Werk. In den frühen Jahren war Nevercrew haupt-sächlich im Tessin und in Norditalien aktiv: An Graffiti-Ausstellungen oder auch Comic-Events

1 «Detecting machine n°1» – Wall Therapy co-curated by Urban Nation Berlin, Rochester (USA), 2015

2 Lugano (CH), 2012, Foto by LEDFILMS.com

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zwischen Bellinzona und Mailand konnten sie ihre frühen und vielfältigen Arbeiten zeigen. Erst 2005, nach dem Abschluss in Mailand, fokus-sierten sie sich auf Wandmalerei im allerweitest denkbaren Sinne. Denn so leicht, wie es die Stichwörter «Murals» (Wandmalereien) oder allgemein «Streetart» erscheinen lassen, lässt sich das Duo nicht in einen klar beschrifteten Karton packen. Projekte wie das 2013 in Lugano und später nochmals in Zürich realisierte «Tin Can Phone Project» machen das deutlich. Dafür wurden grossflächige Wandtafeln aufgestellt sowie ein Automat, aus dem jeder, der Lust und Laune hatte, Kreidestifte und ein Schwämmchen beziehen konnte. Nevercrew liess ein flüchtiges

Wandbild entstehen, weitgehend ohne die Stifte selbst führen zu müssen. Und machte zugleich deutlich, was der Kern ihrer Arbeit ist: Interaktion. Zwischen Umwelt, Umgebung und Mensch, zwischen Mensch und Mensch, zwischen Kunst und Mensch, zwischen Ideen. Entsprechende Mechanismen, in denen alles irgendwie verknüpft ist, einander bedingt, aufeinander einwirkt und sich überlagert, sind immer mehr oder weniger explizit Bestandteil der imposanten Nevercrew-Wandbilder. Müssig zu erwähnen, dass auch die Künstler selbst sowie die Betrachter der Werke fix einkalkulierte und doch unberechenbare Bestandteile dieser Mechanismen sind.

3 «Interpretive machine n°1» WinterthurUrban Art Festival (CH), 2014

4 «Black machine» – Teatro Colosseo, Torino (I), 2015

5 «A Drop of pink in Isar’s waters» Stroke Urban Art Fair Munich (D), 2013

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das Duo Ende Mai an einer Hausfassade der Hil-tonstreet in Manchester, wo es mit acht anderen Künstler-Equipen unter dem Label #citiesofhope Solidarität bekundete mit den Unterdrückten und deren Helfern in allen Teilen der Welt. Und sogar in der Deutschschweiz, wo man bis vor ein paar Jahren eher wenig anzufangen wusste mit grossformatigen Streetart-Gemälden, schafften es Rebecchi und Togni mit Ausstellun-gen und Auftritten in Basel, Zürich oder Winter-thur, Duftmarken, Pinselstriche und Spraystösse zu setzen..

Im Netz um die WeltMit dem Aufkommen des Web 2.0 und vor allem den Social Media hat Streetart enorm an Reichweite gewonnen. Und mit ihnen die Streetartisten. War Streetart früher einem lokalen Publikum und den Lesern von Nischenpubli-kationen vorenthalten, gehen Streetart-Fotos und -Videos heute auf Youtube, Instagram oder auch Facebook rasant um die Welt. Die Werke des anonymen und kultisch verehrten britischen Streetart-Künstlers Banksy kennt man heute rund um den Globus. Und auch Nevercrew sind mitt-lerweile mit Werken und Ausstellungen in Euro-pa, Asien, den USA und natürlich im Netz weit herumgekommen. Ihr jüngstes Werk realisierte

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MR.BAMBOOLukas Zollinger baute auf Sumatra für die Schweizer Umweltstiftung PanEco und deren indonesische Partnerorganisation YEL ein riesiges Bambus-Restaurant. Im Dezember war Eröffnung. Und Zollinger arbeitet bereits am nächsten Projekt.

TEXT: BEAT MATTER FOTOS: NICK LOBECKArchitekt Lukas Zollinger

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Ohne zuvor je mit Bambus gebaut zu haben, nahm der gelernte Zimmermann und Architekt Lukas Zollinger (32) 2013 den Auftrag der Um-welt-Stiftung PanEco an, ein Vorprojekt für ein grosses Bambusgebäude in Bukit Lawang auf der indonesischen Insel Sumatra zu entwerfen. Zollin-ger lernte schnell: Bambusbau, Sprache und Mentalität. Entstanden ist ein imposantes Restau-rant für die Ecolodge Bukit Lawang. Zollingers «Kapal Bambu» (Bambus-Schiff) orientiert sich an der traditionellen Bauweise der Batak-Stämme in der Region. Es ist 13 Meter hoch, 47 Meter lang und besteht aus über 210 000 Laufmetern Bambus. Nun entspannen und verpflegen sich darin Touristen. Zudem bietet es Raum für Bil-dungsangebote. Beispielsweise kann die lokale Bevölkerung hier mehr über Umweltschutz und die Bambusnutzung lernen.

«Quer»: Im Dezember 2015 wurde in Bukit Lawang Ihr «Kapal Bambu» eröffnet. Waren Sie dabei? Lukas Zollinger: Selbstverständlich. Es war ein tolles Gefühl.

Wie hat sich der Bau bewährt?Bis auf wenige Ausnahmen ist eingetroffen, was wir geplant haben. Im Alltag aber ist die Crew noch mit Herausforderungen konfrontiert, die aus der Konstruktionsweise hervorgehen. Da der Bambusboden im Obergeschoss Spalten aufweist, ist es wichtig, dass der Bereich sauber gehalten und dort nicht geraucht wird. Ansons-ten regnet es Kippen durch den Boden, wenn die Affen wieder einmal Fussball mit den Aschen-bechern spielen.

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Sie wurden für das Projekt von der indonesi-schen NGO YEL angefragt. Wie kam das?Ich arbeitete während und nach meinem Studium im Architekturbüro meines Vaters, der gegen-wärtig an einem Projekt der Schweizer Stiftung PanEco arbeitet. Die Stiftung für Natur- und Artenschutz arbeitet in Indonesien mit YEL zusammen, welche auch die Bauherrschaft über-nahm. Da mein Vater für das Vorprojekt nicht zur Verfügung stand, vertraute er mir das Projekt an.

Wie kam das bei Ihnen an? Ich war hellauf begeistert, packte meine Koffer und flog für drei Wochen nach Indonesien. Ich reiste herum und liess mich von der lokalen Bau-kultur inspirieren. Ausserdem besuchte ich einen kleinen Bambus-Workshop. Selbstverständlich besichtigte ich auch das Grundstück für das geplante «Kapal Bambu».

Das Grundstück in Nachbarschaft des Gunung-Leuser-Nationalparks ist Teil einer bestehenden Hotelanlage in Bukit Lawang. War für Sie beim Eintreffen sofort klar, wie das neue Gebäude aussehen soll?Keinesfalls, zumal an der Stelle noch ein altes Restaurant stand, das wir zunächst abbrechen mussten. In den ersten drei Wochen ging es mir darum, möglichst viele Eindrücke zu sammeln. Das Vorprojekt zeichnete ich erst, als ich wieder daheim war.

Wie fanden Sie zu dieser Form?Mehrere Faktoren führten dazu. Vorgegeben war, dass das neue Gebäude an gleicher Stelle gebaut werden musste wie das rückzubauende Restaurant. Auch durfte auf dem Grundstück kein Baum gefällt werden, um mehr Platz zu schaffen. Die Bauherrin wünschte weiter ein Bambusge-bäude, das als Referenzobjekt für das Potenzial von Bambus taugt und zugleich die vorhandene Fläche maximal ausnützt. Ich habe deshalb zuerst

nach einem passenden Grundriss gesucht, der die vorhandene Fläche zwischen den Bäumen maximal ausnützt. Ich kam auf die elliptische Form, darauf basierend entwickelte sich alles schrittweise weiter.

Haben Sie zuvor je etwas in Bambus gebaut?Nein.

Wie kamen Sie darauf, dass Sie ein Projekt in einem fremden Land und mit einem frem-den Konstruktionsmaterial stemmen können?Mir machte vor allem meine Zimmermanns-Erfahrung Mut. Ich konzipierte die Lodge so, als wäre sie eine ganz normale Holzkonstruktion.

Sie zeichneten das Vorprojekt in drei Wochen. Und dann? Fast umgehend teilte mir die Stiftung mit, dass sie die Lodge haargenau so gebaut haben will. Sie waren begeistert. Und ich völlig überrumpelt. In dem Moment war mir klar: Jetzt brauche ich einen Ingenieur mit Bambuserfahrung, der prüft, ob das Projekt so überhaupt umsetzbar ist.

Die Bauherrschaft holte den Deutschen Bambus-Experten Jörg Stamm ins Projekt. Wie erlebten Sie die Zusammenarbeit?Sehr gut. Stamm bestätigte rasch, dass mein Projekt realisierbar ist, wies aber auch darauf

1 Auch die Lampen und Möbel hat

Zollinger entworfen.

2 Raum für Umweltbildung.

Das OG der Lodge.

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Bis zu 60 Arbeiter waren auf der Baustelle tätig.

3 Imposante Lodge by Night.

4 Einheimische Köche...

5 ...kochen nachhaltig produ-zierte einheimische Speisen.

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hin, dass die Binder für die Queraussteifung die zentrale Herausforderung meiner Konstruktion darstellen. Sie sind über die ganze Gebäude-länge in unterschiedlichen Abständen und Höhen angeordnet, an den äussersten Enden gehen sie bis auf zwölf Meter Höhe. Anhand eines 1:100-Modells, das wir von einem solchen Binder zusammenbauten, überprüfte Stamm die Kon-struktion. Bambusingenieure probieren oftmals lieber am Modell aus, anstatt lange zu rechnen.

Wirklich los ging es dann im September 2014. Genau. Die ersten zwei Monate war Stamm dabei. Er zeigte mir, wie man Bambus beschafft, einen Fertigungsbereich aufbaut, um das Material vorzubereiten und welches Werkzeug man für den Bau braucht. Es war grossartig und gleichzeitig herausfordernd, sich diese Fülle an neuem Wissen anzueignen. Als Stamm ging, wusste ich genug, um den Bambus vorzubereiten und das alte Restaurant abzubrechen. Als er im Februar 2015 wieder auf der Baustelle vorbei-schaute, konnten wir gemeinsam die ersten Binder auf der vorgefertigten Bodenplatte zusammenschrauben und alles aufrichten. In Handarbeit, denn wir hatten bis auf einen Betonmischer keine grösseren Maschinen zur Verfügung. Für den Rest des Projekts übernahm ich dann wieder die alleinige Verantwortung.

Wie viele Leute waren auf der Baustelle tätig?In Spitzenzeiten waren es bis zu 60 Personen.

Wie haben Sie sich vor Ort verständigt?Am Anfang konnte ich kein Indonesisch. Stück für Stück lernte ich ein paar Brocken. Englisch konn-ten auf der Baustelle nur zwei Arbeiter. Sie halfen, Anweisungen zu übersetzen. Zur Not kamen auch Hände und Füsse zum Einsatz. Selbstver-ständlich kam es aber zu Missverständnissen. Und auch die kulturellen Unterschiede führten immer wieder zu Konflikten und Irrtümern.

Gab es Momente, in denen Sie bereut haben, den Auftrag übernommen zu haben?Die Freude am Gesamtprojekt habe ich nie verloren. Aber natürlich gab es Momente, in denen ich das Ende nicht mehr vor Augen hatte. Wir arbeiteten fast anderthalb Jahre lang sechs Tage die Woche am «Kapal Bambu». Nur sonn-tags blieb jeweils etwas Zeit, um zu entspannen. Es war eine harte, aber erfüllende Zeit.

Sie sind bereits in ein nächstes, noch grösseres Projekt involviert. Wieder auf Sumatra und wieder im Auftrag von PanEco. Worum geht es?Es geht um den «Orangutan Heaven», für den YEL ein 48 Hektaren grosses Grundstück erstei-gert hat. Das Gebiet wird schrittweise, wie auch die Ecolodge, zu einem Zentrum für Umwelt-bildung und nachhaltigen Tourismus entwickelt werden. Die Besucher werden auch auf Orang-Utans treffen: Das Sumatra Orang-Utan-Schutz-projekt SOCP, ein Programm, das gemeinsam von YEL und PanEco geführt wird, betreibt eine Auffangstation in der Nähe des Areals, auf dem verletzte oder kranke Orang-Utans aufgepäp-pelt und in Schutzgebieten wieder ausgewildert werden. Mittlerweile leben dort vier Affen, die aufgrund von Verletzungen oder unheilbaren Krankheiten nicht mehr in die freie Wildbahn entlassen werden können. Mit dem «Heaven» wollen wir ihnen eine bessere Umgebung für ihren Lebensabend schaffen.

Bauen Sie wieder mit Bambus?Obwohl wir uns noch in der Masterplanung befinden, ist bereits klar, dass mehrere Gebäude und eine grosse Brücke aus Bambus entstehen sollen. Mit der Brücke beschäftige ich mich bereits. Ebenso sind wir dabei, einen neuen Fertigungsbereich für die Bambusbereitstellung aufzubauen. Der lokalen Bevölkerung soll auch bei diesem

Projekt vor Augen geführt werden, was für ein tolles Baumaterial vor ihrer Haustür wächst.

Was fasziniert Sie daran?Bambus ist DAS Baumaterial. Es wächst schnell. Es ist unglaublich vielseitig verwendbar und auf Zug und Druck eine nahezu CO2-neutrale Alter-native zu Konstruktionsstahl. Durch seine runde Form, die aufgeschnitten werden kann, lassen sich relativ einfach vielfältige Formen für ganz unterschiedliche Anwendungen herstellen. Dass daraus bei cleverer Kombination sowohl extrem stabile Konstruktionen wie auch ganz filigrane Möbel und Gadgets entstehen können, fasziniert mich.

Wollen Sie nun Bambus auch in der Schweiz als Konstruktionsmaterial etablieren? Für die Konstruktion finde ich es sinnvoller, wenn man sich an lokal verfügbares Material hält. Deshalb auch das Anliegen, in Indonesien das Wissen für Bambusbauten wieder zu verbreiten. Interessant fände ich aber, beispielsweise Möbel oder Lampen aus Bambus für den Schweizer Markt zu fertigen, wie ich es auch schon für die Ecolodge getan habe. Bambus könnte in dem Bereich eine Alternative zu den Tropenhölzern sein, die nach wie vor in zu grossen Mengen importiert werden.

Wie hätten Sie reagiert, wenn Ihnen im Studium einer gesagt hätte, Sie würden dereinst im Busch auf Sumatra Bambus-gebäude bauen?Ich hätte wohl laut gelacht. Wobei: Eine konkrete Vorstellung davon, was ich später machen würde, hatte ich damals gar nicht. Erst mit dem Bambus ist nun etwas in mein Leben getreten, das meiner Arbeit eine Richtung gibt. Und mich sehr glücklich macht..

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Lowtech vs. Hightech: Die wichtige Kontroverse um zu viel oder noch lange nicht genug Technik im Gebäude hält an. Fassadeningenieur Reto Demont und Gebäudetechnik-Ingenieur und -Dozent Adrian Altenburger kreuzen die Klingen. These: Gebäudetechnik wird überbewertet.

Pro &Contra

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CONTRA – ADRIAN ALTENBURGER

Ohne Gebäudetechnik wären unsere Gebäude im besten Fall gedämmte Höhlen. Weder unser Anspruch an guten Komfort noch an notwendige Prozesse wären zu erfüllen. Gute Luftqualität, angenehme Raum-temperaturen und hohe Lichtqualität sind in der modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Ebenso eine funktionierende Wasser- und Abwasserversorgung oder die hohe Verfügbarkeit von Elektrizität und der Informationstechnologie. Wie der Standard ohne Gebäudetechnik wäre, erfährt man bei einem Stromausfall. Glücklicherweise kommt das selten vor. Und wird – wo existenziell – auch wieder mit der Gebäudetechnik kompensiert. Zum Beispiel mit Netz-ersatzanlagen in Spitälern.Die Gebäudetechnik darf nie Selbst-zweck sein, sondern muss sich immer im Kontext des Gebäudes als System verstehen. Soviel Technik wie nötig und so wenig wie möglich, ist eine Maxime, die es bei jeder Planung zu verfolgen gilt. Das bedingt Fach- und Entscheidungskompetenz bei allen Beteiligten und die Bereitschaft, Sy-nergiepotenziale soweit wie möglich zu nutzen. Gut konzipierte gebäude-technische Systeme nehmen unter

anderem für das Beheizen und Kühlen räumlich weniger Platz in Anspruch und sind die beste Voraussetzung für eine nachhaltige Wärmeerzeugung mittels Wärmepumpen. Sie generie-ren somit einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung des Gebäude-parks und substituieren die heute noch über 70 Prozent fossil basierten Heizsysteme.Die beste Voraussetzung für schlanke und somit adäquate Gebäude-technik sind gut qualifizierte Ingeni-eure. Diese sind nicht erst seit der Lancierung der Energiestrategie 2050 durch den Bundesrat zur«Mangelware» geworden, sondern im Vergleich zu Architekten und Bauingenieuren latent untervertreten. Die Hochschule Luzern – Technik & Architektur führt den schweizweit einzigen Studiengang für Gebäude-technik und könnte deutlich mehr als die rund 50 Absolventen pro Jahr ausbilden. Das Problem ist also nicht die Überbewertung der Gebäude-technik, sondern die Unterbewertung der Bedeutung des Gebäudetechnik-ingenieurs.

Adrian Altenburger, Studiengang-leiter Gebäutechnik an der HSLU Q

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PRO – RETO DEMONT

Viele Bauherren lassen sich heute allzu gerne von den Argumenten der Gebäudetechniker überzeugen. Sie sind leicht zu begeistern mit der Aussicht, dass im künftigen Gebäude vieles automatisch und der Rest per Knopfdruck funktioniert. Entspre-chend investieren sie. Ich bin kein Feind des technischen Fortschritts. Ich bin aber überzeugt, dass das Pendel heute zu stark in Richtung Hightech ausschlägt. Sitze ich in einer frühen Projektphase mit am Tisch, versuche ich deshalb den Bauherrn zu motivieren, auch Alternativen durchzudenken.Die anhaltende Kontroverse um die Gebäudetechnik zeigt klar: High-tech-Gebäude sind nicht automatisch bessere, energieeffizientere oder angenehmere, geschweige denn günstigere Gebäude. Und in High-tech-Gebäuden leben und arbeiten nicht automatisch zufriedenere Nut-zer. Gerade professionelle Bauherren registrieren das zunehmend – und zeigen erste Anzeichen von Zurück-haltung gegenüber der teils blinden Hightech-Begeisterung. Das Bewusstsein über Energie und Nachhaltigkeit ist heute ausgepräg-ter als noch vor 10 oder 20 Jahren.

Die Gesellschaft und der einzelne Nutzer sind heute mehr und mehr in der Lage – und vor allem gewillt –, eine aktive Rolle zu übernehmen im Betrieb von nachhaltigen Gebäuden. Das setzt voraus, dass der Nutzer richtig instruiert wird. Und dass die eingebaute Gebäudetechnik einen aktiven Nutzer überhaupt zulässt. Fühlen sich smarte Nutzer im Smart Home nämlich als Störfaktor, macht sich Unzufriedenheit breit.Mich irritiert es, wenn im Namen der Energieeffizienz und der an-visierten Energiewende immer mehr Technik in Gebäude verbaut wird und dabei altbewährte Aspekte des guten Bauens aus dem Blick geraten: Mit einer guten Hülle und einer Architektur, die Baumasse und standortabhängige Gegebenheiten schlau ins Konzept einbezieht, ist ein starkes und beständiges Fundament gelegt für ein Gebäude, das gut funktioniert. Gebäude-technik kann und soll auf diesem Fundament aufbauen. Als Ersatz verstanden ist sie jedoch völlig überbewertet.

Reto Demont ist Inhaber und CEO der Feroplan Engineering AG

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Die Fenster der Schweiz.www.swisswindows.ch

Die Fenster der Schweiz.

swisswindows AGHaltelhusstrasse 14, 9402 MörschwilTel. 071 868 68 68, [email protected]

Dieses historisches Gebäude wurde im Jahr 1900 erbaut. Nach einer Kernsanierung erstrahlt das herrschaftliche, direkt am Rhein gelegene Haus von aussen und innen in neuem Glanz. Ehemals als Zollstation und Gasthaus genutzt, dient es heute als Wohnhaus. Die Holzfenster der Linie «madera» von swisswindows fügen sich harmo-nisch in die geschichtsträchtige Fassade ein. Zu den Besonderheiten, die den Charme des Objekts ausmachen, zählen auch zahlreiche Rundfenster und aufgeklebte Spros-sen. Als Sanierungsexperte konnte der Fenster- und Türenhersteller swisswindows seine Erfahrung und sein Wissen bei diesem denkmalgeschützten Komplex optimal miteinbringen.

Ihren Anforderungen begegnen wir mit individuellen Lösungen.z.B. Fenstersanierung im Zähringerhof, Rheinfelden

Moderne Technik harmonisch mit einer bestehenden oder sogarhistorischen Bausubstanz zu verbinden, stellt den Reiz bei einer Renovation dar.

Wir schätzen es, durch das Vertrauen der Bauherren regelmässig solchen Herausforderungen zu begegnen. Dadurch können unsere Fachkräfte

abteilungsübergreifend ein umfassendes Know-how erarbeiten und einbringen, wodurch das Aussergewöhnliche zum Standard wird.

Sergio Belda, Leiter Produktionswerk Müllheim TG swisswindows’’

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nextUnvermeidlich. Wenn die Biennale von Venedig schon unter dem Titel «Reporting from the Front» stattfindet, können wir nicht nicht hingehen. Wie manifestiert sich der durch Alejandro Aravena neu forcierte «Social Turn» in den Pavillons? Wer hat den Mut, dem Ruf nicht zu folgen. Und was zum Teufel soll dieses Ding im Schweizer Pavillon? Sie lesen es im nächsten Heft.

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